Es ist dem menschlichen Verhalten immanent, dass es zu Fehlern kommt. Aber wohl in keinem Bereich sind Fehler so fatal, wie bei einer ärztlichen Behandlung. Die Folgen ärztlicher Fehlbehandlungen sind nicht selten Personenschäden bis hin zum Tod des Patienten. Ein Behandlungsfehler liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn der gewünschte Behandlungserfolg nicht eintritt. Der Arzt schuldet dem Patienten nämlich keinen Behandlungserfolg, sondern eine Behandlung gemäß der ärztlichen Kunst. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch ist daher ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Daneben kann auch eine mangelhafte Aufklärung Schadenersatzansprüche begründen. Rechtsanwalt Dr. Freund hat sich in diesem Tätigkeitsfeld – das eine Vielzahl von Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht aufweist – auf die Vertretung von Patienten spezialisiert.


Beweislast im Arzthaftungsrecht

Feststellung eines Behandlungsfehlers

Einsicht in Patientenakte

Diagnosefehler

Befunderhebungsfehler

Therapeutische Aufklärung

Geburtsschäden

Personenschadenregulierung


 

↑ Beweislast im Arzthaftungsrecht

Im Zivilprozess – ein solcher ist auch das Arzthaftungsprozess – gilt der Grundsatz, dass derjenige, der etwas verlangt, die Umstände nachweisen muss, die für ihn günstig sind. Übertragen auf den Arzthaftungsprozess bedeutet dies Folgendes:
1. Kläger ist stets der Patient, denn nur bei ihm kann ein Schaden eintreten.
2. Der Kläger muss daher alle für ihn günstigen Umstände, mithin den Behandlungsfehler und die Ursächlichkeit des Fehlers für seinen Schaden beweisen.
Letzteres ist oft schwierig, weil körperliche Abläufe nicht einem festen Ablauf folgen. Es sind daher immer mehrere Ursachen denkbar. Die Rechtsprechung und der Gesetzgeber haben dieses Problem jedoch erkannt und kehren die Beweislast bei der Frage der Ursächlichkeit um, wenn ein sog. grober Behandlungsfehler vorliegt, indem gem. § 630h Absatz 5 BGB die Ursächlichkeit des groben Behandlungsfehlers für die Gesundheitsschädigung vermutet wird. Dann muss der Arzt beweisen, dass die Folge unter keinen Umständen auf dem Behandlungsfehler beruht. Ob ein solcher grober Behandlungsfehler vorliegt, kann jedoch nur von Fall zu Fall beurteilt werden. Die Rechtsprechung hat dazu eine Reihe von Einzelfällen entschieden. Es ist daher vorrangigste Aufgabe des Patientenanwaltes, einen Behandlungsfehler zu qualifizieren und die Einstufung als groben Behandlungsfehler durchzufechten. Dies ist nur mit speziellen Kenntnissen im Bereich des Arzthaftungsrechts und unter ständiger Verfolgung der Rechtsprechung in diesem Bereich möglich.

 

↑ Feststellung eines Behandlungsfehlers

Der Patient, der einen ärztlichen Behandlungsfehler vermutet, wird dies aus eigener Sachkunde nicht beurteilen können. Er benötigt ein medizinisches Sachverständigengutachten. Gutachten von Privatinstituten sind jedoch teuer und der Patient meist nicht in der Lage, diese zu zahlen. Für diesen Fall gibt es zwei mögliche Vorgehensweisen. Zum Einen der Weg über den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), sofern der Patient gesetzlich krankenversichert ist. Zum Anderen das Verfahren vor den Gutachter- und Schlichtungsstellen der Ärztekammern. Beide Möglichkeiten sind kostenfrei. Auf diese Weise kann eine medizinische Bewertung des Sachverhaltes erlangt werden. Diese ist zwingend erforderlich, um Waffengleichheit in der Auseinandersetzung mit dem medizinisch geschulten Behandler und der hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherung zu erlangen, welche bei der Frage der Einholung privater medizinischer Sachverständigengutachten weniger kostenempfindlich ist als der Patient.

 

↑ Einsicht in Patientenakte

Ausgangspunkt zur Feststellung eines ärztlichen Behandlungsfehlers ist die Einsichtnahme in die ärztliche Dokumentation. Der Patient hat insoweit ein Recht auf Einsichtnahme in die Originale oder Übersendung von Kopien gegen Kostenerstattung (§ 630g BGB). Das Einsichtsrecht hat jedoch auch Grenzen, die im Einzelfall ausgelotet werden müssen. Sollte der Patient verstorben sein, so sollte das Einsichtsrecht durch alle Erben gemeinsam geltend gemacht werden. Verlangt nur ein Erbe Einsicht, wird dies oft – zu Recht – verweigert.

 

↑ Diagnosefehler

Ein Diagnosefehler liegt vor, wenn der Arzt eine unzutreffende Diagnose stellt. Im Bereich der Diagnosefehler hat die Rechtsprechung festgelegt, dass solche dann zu einem haftungsbegründenden Behandlungsfehler führen, wenn es sich um einen sogenannten „fundamentalen Irrtum“ handelt. Da einer Diagnose immer etwas spekulatives anhaftet und sich eine Diagnose auch entwickeln kann, geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine Diagnostik, die sich im späteren Verlauf als nicht zutreffend erweist, nicht zwingend einen Behandlungsfehler darstellt, sondern sie fordert ein besonders elementares Verkennen der zutreffenden Diagnose.

 

↑ Befunderhebungsfehler

Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn es der Arzt unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund zu erheben. Im Falle eines Befunderhebungsfehlers ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dieser zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Patienten führt, wenn eine Fehlreaktion des Behandlers auf den zu erzielenden Befund als grober Behandlungsfehler einzustufen wäre (BGH NJW 1999, S. 862 (863)). Insoweit greift die dargestellte Beweislastumkehr dann ein, wenn sich bei Durchführung der versäumten Untersuchung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich die Verkennung des Befundes fundamental und die Nichtreaktion als grob fehlerhaft darstellen würde (BGH NJW 2004, S. 2011 (2013); BGH NJW 1999, S. 862 (863 m. w. N.)). Im Falle eine Befunderhebungsfehlers ist daher bei der sachverständigen Bewertung nicht bei der Befunderhebung mit der Würdigung zu enden, sondern es ist darüber hinaus festzustellen, welcher Befund sich gegebenenfalls unter Würdigung zusätzlicher medizinischer Anhaltspunkte bei der Durchführung der versäumten Untersuchung ergeben hätte und ob eine Nichtreaktion darauf grob fehlerhaft gewesen wäre (BGH NJW 1999, S. 862 (863)).

 

↑ Therapeutische Aufklärung

Grundsätzlich stellt eine ärztliche Maßnahme, insbesondere wenn es sich um operative Eingriffe handelt, eine Körperverletzung dar. Damit diese nicht strafbar ist oder zum Schadenersatz berechtigt, bedarf der Arzt einer Einwilligung durch den Patienten. Diese wiederum ist nur wirksam, wenn der Patient über alle wahrscheinlichen Folgen aufgeklärt wurde. Ist die Aufklärung mangelhaft, haftet der Arzt für den entstandenen Schaden aus Verletzungshandlung ohne Einwilligung, wenn sich ein aufklärungspflichtiges Risiko verwirklichen sollte. Der Aufklärung kommt daher eine erhebliche Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss der Patient „im Großen und Ganzen“ wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht.

 

↑ Geburtsschäden

Kinder sind das Glück und die Zukunft dieser Erde. Kaum ein anderer Behandlungsfehler hat derartige Auswirkungen, wie ein Fehler während des Geburtsvorgangs. Resultat ist nicht selten ein schwerstgeschädigtes Kind, das lebenslanger Betreuung bedarf. Geburtsfehler betreffen den Geburtsvorgang selbst. Davon abzugrenzen sind Diagnosefehler während der Schwangerschaft. Folge eines Fehlers bei der Geburt sind meist Hirnschädigungen wegen Sauerstoffmangels. Eine andere klassische Folge sind Verletzungen der Gliedmaßen. Hier einige Beispiele, in denen die Rechtsprechung einen Behandlungsfehler bejaht hat:

  • Kommt es nach Feststellung eines pathologischen CTG´s zu einer mehr als 30-minütigen, schuldhaften Verzögerung, bis zur Einleitung einer Schnittentbindung, ist dies grob fehlerhaft (OLG Köln Urteil vom 28.3.1990 – Az. 27 U 125/89).
  • Überlässt der geburtsleitende Gynäkologe die Überwachung einer Risikogeburt allein einer Hebamme und kommt es daher zu einer verspäteten Einleitung der Geburt (im konkreten Fall Kaiserschnitt nach mehr als 20 Stunden Geburtsdauer), handelt der Gynäkologe grob fehlerhaft (OLG Oldenburg, Urteil vom 24.7.1990 – Az. 5 U 149/89).

 

↑ Personenschadenregulierung

Nicht selten führt ein Behandlungsfehler zu Personenschäden. Diese können dann u. a. ein Schmerzensgeld rechtfertigen. Ein solches wird zwar sog. Schmerzensgeldtabellen entnommen, diese sind jedoch nur ein Anhalt. Da jeder Schadenfall seine individuellen Merkmale hat, kann auch das Schmerzensgeld nur individuell bemessen werden. Die rechtlichen Grundlagen der Ermessensentscheidung sind so spezieller Natur, dass der Weg zum Rechtsanwalt fast unausweichlich ist. Daneben kommen auch Schadenersatzansprüche wie Verdienstausfall oder Haushaltsführungsschaden in Betracht. Auf diese Schadenpositionen wird der gegnerische Versicherer in aller Regel nicht hinweisen. Die Geltendmachung dieser Ansprüche sollte wegen der speziellen rechtlichen Voraussetzungen ebenfalls über den Rechtsanwalt erfolgen.